Ausgangspunkt für die vernichtende Zuschusskürzung die Spielschachtel betreffend, war ein Gutachten, das drei Juroren im Auftrag der Stadtverwaltung erstellt haben. Dieses Gutachten wurde als unantastbar erklärt und die Fraktionen von SPD, Grünen und FWG weigerten sich strikt, sich selbst ein laufendes Theaterstück anzuschauen, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Auch hervorragende Publikumsbewertungen von vielen Schulen wurden ignoriert. Frau Kulturbürgermeisterin Mayer-Dölle hat in ihrer gesamten Amtszeit trotz mehrfacher Einladung leider nicht die Zeit gefunden, auch nur eine unserer Vorstellungen zu besuchen.
Das Publikum als ganzes wurde mit seinem einzigartigen Zuspruch für die Spielschachtel – publikumsstärkstes Kinder- und Familientheater in ganz Süddeutschland – völlig ignoriert und als inkompetent erachtet. Ralf Milde (FWG): „Es ist nicht Aufgabe eines Gemeinderates, ein Gutachten zu überprüfen.“
Jeder, der mit Gutachten zu tun hat weiß, auf welch brüchigem Boden diese oftmals stehen. Unzählige Gutachen haben sich in der Folge als nicht haltbar erwiesen. Wer ein Gutachten beurteilen will, muss sich klar sein, wer das Gutachten verfasst hat und wem es nützt.
Kinderliteratur und Märchen unverfälscht, das ist der Anspruch der Ulmer Spielschachtel. (Hier der erste Comic „Max und Moritz“).
Jury: Die Bearbeitung von klassischen Stoffen der Kinderliteratur (Grimm, Busch) vermochte dramturgisch nicht zu überzeugen. Es war der Jury nicht ersichtlich, warum gerade dieser Stoff in dieser Form für dieses Publikum gezeigt wurde. Die Geschichten verblieben in einer pseudohistorischer Distanz, die dramaturgisch nicht begründet oder gebrochen wurde und keinerlei Bezug zu der Lebenswelt der Kinder aufwies.
Diese gravierenden handwerklichen, stilistischen und konzeptionellen Mängel spiegeln sich auch in der Tatsache, dass die Spielschachtel nach Erkenntnissen der Jury seit vielen Jahren nicht (oder noch nie) auf überregionalen Theaterfestivals erschienen ist.
Die Ulmer Spielschachtel nimmt regelmäßig seit vielen Jahren mit großem Erfolg an den Kleintheatertagen in Endingen, Karlsruhe, Stuttgart und dieses Jahr in Ravensburg teil.
Die Juroren stammen von den Landestheatern (Esslingen und Tübingen), die wiederum Mitglieder im Verband der Kinder- und Jugendtheater Baden-Württembergs sind. Dieser Verband hatte sich gleich zu Beginn der Spielschachtel vor 22 Jahren vergeblich darum bemüht, in Ulm am Stadttheater eine vierte Sparte Kinder- und Jugendtheater zu etablieren. Die Argumente waren damals wie heute die gleichen. Sie sprachen der Spielschachtel pauschal jede Kompetenz ab, in dieser Sparte zu wirken.
Dieser Verband legte in der Vergangenheit selbstherrlich die Regeln fest, nach denen sich Kinder- und Jugendtheater zu verhalten haben. Damit wurde ein Grundgedanke der künstlerischen Freiheit zerstört. Nicht, was ein Künstler in Kommunikation mit seinem Zielpublikum erarbeitet hat Gültigkeit, sondern nur was ein Interessenverband zulässt.
Die Kostümierung von Herrn Geigenberger mit Zylinder als Theaterdirektor erschien der Jury als „ungeeignetes Mittel, Kinder aus Familien aus unserer heutigen Realität willkommen zu heißen, anzusprechen, beim Ansprechen auch Ernst zu nehmen und in die ,andere‘ Welt des Theaters zu entführen.“
Was das Gutachten der drei Juroren betrifft, so ist es eine Ansammlung von sachlich falschen Vorwürfen, von Gemeinplätzen, aus der Luft gezauberten, als unumstößlich erklärten, intellektuell verschraubten Grundsatzerklärungen und völlig subjektiven Beurteilungsbehauptungen. Angeführte Beispiele, die sich auf konkrete künstlerische Momente beziehen, zeigen, dass man offensichtlich den künstlerischen Duktus der Arbeiten gar nicht verstanden hat. Der Gesamteindruck legt nahe, dass sich die Juroren von vornherein überhaupt nicht auf die Theaterarbeit der Spielschachtel haben einlassen wollen.
Jury: Selbst wenn man Innovation und Originalität nicht als entscheidende Bewertungsmaßstäbe ins Feld führt, fällt bei der Spielschachtel eine insgesamt angestaubte Ästhetik ins Auge, ein geradezu antiquierter Anspruch an die Kunst. Davon abgesehen ist zu konstatieren, dass die meisten Akteure nicht die Fähigkeit mitbringen, selbst diesen (überholten) Anspruch an Kunst gerecht zu werden.
„Auch andere Marketingobjekte wie aufwendige Plakate oder stückbegleitende Bilderbücher haben nicht die ausreichende Qualität, um als Repräsentanten des Kindertheaters der Stadt Ulm zu fungieren.“ Teilen Sie die Meinung der Jury?
„Zuletzt erscheint es der Jury erstaunlich, dass die Spielschachtel selten Schulvorstellungen oder Vorstellungen für Kindergärten während der üblichen Betreuungszeiten, nämlich vormittags, durchführt und in Kontakt- und Werbemitteln nicht auf die Möglichkeit des Vorstellungsbesuchs am Vormittag hinweist. Dies gehört zum selbstverständlichen Standard eines heutigen Kindertheaters.“
Auf jedem Programm der Ulmer Spielschachtel steht: „Sondervorstellungen für Kindergärten und Schulen nach Absprache“. Die Ulmer Spielschachtel hat im Jahr 2007 Dreißig! Vorstellungen mit rund 8.000 Zuschauern nur für Kindergärten und Schulen am Vormittag durchgeführt.
Jury: „Wir wünschen uns unbedingt ein Kinder- und Jugendtheater, dass sein Publikum erreichen will – also niemand andern als die Kinder und Jugendlichen von Ulm, so viele wie möglich und so oft wie möglich!“
Die Spielschachtel hat dieses Ziel über zwei Jahrzehnte jedes Jahr erreicht! Das Theater hat seit seinem Bestehen konsequent an einem eigenständigen Stil sowohl inhaltlich als auch in der Form gearbeitet und auf diesem Weg ein breites Publikum von inzwischen über 600.000 Zuschauern mitnehmen können.
Zwei der drei live begutachteten Stücke sind seit über einem Jahrzehnt im Repertoire der Ulmer Spielschachtel und wurden stets vom Publikum wie auch von allen Zeitungskritikern als ein Feuerwerk der Phantasie, des Witzes und des Könnens auf dem Gebiete beurteilt. Ein weiteres auf DVD eingereichtes Stück löste bei den Baden-Württembergischen Kleintheatertagen im April 2008 helle Begeisterung aus.
Die Besucherzahlen der Theater Tübingen und Esslingen (von denen zwei der drei Juroren kommen) liegen im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters gegenüber der Spielschachtel jeweils bei etwa 50 Prozent. Da aus diesen Gegenden viele Besucher auch die Spielschachtel besuchen, sind wir für diese Theater ein Mitbewerber.
Bei Gutachten muss man darauf schauen, wer es erstellt hat!
Sind’s Fliegen oder was? Das tapferes Schneiderlein!
Die Jury hatte offensichtlich nicht verstanden, warum „gerade dieser Stoff in dieser Form für dieses Publikum gezeigt wurde.“
Dabei ist es ganz einfach: Weil es eine Geschichte ist, die uns gereizt hat, sie für die Bühne umzusetzen oder weil uns diese Geschichte einfach gefallen hat oder weil es eine Geschichte aus dem deutschen Märchenschatz ist, die wir gerne in einer völlig unerwarteten Form gestalten wollten oder:
weil es ihn allerorten gibt, jenen Wicht, der als einzige Tat die Vernichtung von sieben Fliegen vorweisen kann! Dass es Fliegen sind, verschweigt er natürlich und nährt mit allen Tricks den Glauben der Leute, dass es eine Großtat außerordentlicher Tapferkeit war. Und was passiert? (Fast) alle glauben ihm, wollen sich seine Einmaligkeit zu Nutze machen. Und der dürre Schneidergeselle weiß sehr wohl, wie er seine Gegner gegeneinander ausspielen kann, so dass sie sich in der Folge selbst vernichten. Bis in höchste Kreise schwindelt er sich und bekommt am Schluss sogar „die Königstochter zur Braut und dazu das halbe Königsreich.“ Die Gesellschaft hat sich wieder einmal einem Windbeutel ausgeliefert. Aus Lethargie oder Angst oder einfach nur aus Dummheit.
Manchmal tritt das „Tapfere Schneiderlein“ auch zu Dritt auf!
Christoph Geigenberger, Leiter der Ulmer Spielschachtel
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Artikel aus der Bürgerinformationszeitung KONTAKT der CDU-Fraktion Ausgabe 2008:
Eltern und Kinder sind taurig
Spielschachtel muss ihre Spielstätte aufgeben.
„Experten“ und ihre Gefolgsleute haben zugeschlagen: Christoph Geigenberger, Erfinder und langjähriger Leiter dieses Ulmer Kindertheaters, wurden die städtischen Zuschüsse drastisch gekürzt. Die Ulmer Kinder- und Jugendtheaterlandschaft wurde von einem externen Expertenteam unter die Lupe genommen. Der Spielschachtel wurde dabei mangelnde Professionalität unterstellt; das war für die Gegner genau das ersehnte Ergebnis der Prüfung. Eine Ratsmehrheit aus Rot, Grün, FWG und FDP sprach das Urteil: weniger Geld und damit eine erhebliche Einschränkung für den Spielbetrieb. Die Spielschachtel zieht jetzt an den Kuhberg (ehemalige Standortverwaltung der Bundeswehr). Wer sich ein wenig auskennt, wusste allerdings: Das Ergebnis stand schon lange vorher fest. Man brauchte nur noch das gewünschte Expertenergebnis. Eltern und Kinder wurden natürlich nicht gefragt. Aber gerade sie waren doch die Nutzer und haben sich viele Jahre an den Aufführungen im alten Theater erfreut. Ihr Urteil wäre anders ausgefallen!
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Anmerkung von Christoph Geigenberger zum CDU-Artikel in der KONTAKT-Zeitschrift:
Was dem Außenstehenden als wichtiger Schritt zu einer „hochwertigen Kulturszene“ in Ulm verkauft wurde (unabhängige Bewertung), war also nichts anderes als ein abgemachtes Intrigenspiel einiger weniger in Ulm, die seit Jahren gegen die Spielschachtel gehetzt haben. Es geht dabei um Subventionen, die bislang der Ulmer Spielschachtel für ihre erfolgreiche Arbeit gegeben wurden. Diese Gelder sollen nun in jene Kanäle fließen, die den Interessen jener Hintergrundpersonen nahe stehen. Was im Kindertheater „political correct“ ist wird in Zukunft auf solchen Veranstaltungen wie „Schöne Aussicht“ in Stuttgart bestimmt. Auch Projektgelder werden nun von denen vergeben, die als „unabhängige Jury“ von Politik und Verwaltung nach Ulm geholt wurden und die Mitglieder eines Theaterkartells sind, an dem keiner aus der freien Szene mehr vorbei kommt. Dass das Publikum in diesem Machtstreben absolut keine Rolle mehr spielt, dass Erfolgszahlen in keinster Weise von Bedeutung sind, sondern nur der Herrschaftsanspruch von Interessengruppen zählt, dass man ohne mit der Wimper zu zucken das enorme Kreativpotential einer erfolgreichen Theatereinrichtung bedenkenlos verbrennt zeigt, dass es sich hier nicht nur um eine Schmierenkomödie sondern um eine kulturelle und gesellschaftliche Tragödie handelt. Der Begriff „freie Kultur“ wurde mit der Zerstörung der Spielschachtel ad absurdum geführt.
Wir danken der CDU-Fraktion, die sich als einzige gegen diese Machenschaften gestellt hatte.
Liebe Spielschachtel-Macher,
diese Jury ist ein Witz! Die wurden wohl von ihren „Auftraggebern“ sehr gut bezahlt. Was heißt „diesen Stoff in dieser Form kann man Kindern in dieser Lebenswelt nicht präsentieren“? Und was soll der sonderbare Kritikpunkt mit dem Theaterdirektorenhut? Kann man sich heutzutage nicht mehr kostümieren, wie man will, weil es nicht mehr in die „heutige Lebenswelt der Kinder“ passt, zu tun, was man will? Im Gleichschritt marsch!!!???
Es gibt viel von Stadt und Land subventioniertes Theater, das garantiert nichts mit der „Lebenswelt der heutigen Kinder“ zu tun hat – siehe z.B. alle Waldorfproduktionen mitsamt dieser unsäglichen Weihnachtsfestspiele, wo man „das Fähnle grüßen“ soll.
Liebe Grüße
Antje Blüm
äh, unfassbar – die „erforderliche“ Jury kam so zu einem Ergebnis, mit der Wirkung einer Bewertung, die in der Wirkung mit entarteter Kunst gleichkommt. Einfach weg damit, weil es Zuschüsse erfordert und die ja sofort leicht ehrenamtlich ersetzt geleistet werden könnten. Begründet einmal aus konservativer Sicht, siehe Zylinder und gleichzeitig die „leicht angestaubte“ linke Ecke auch beleuchtend. Was sind denn das für niveauvolle Künstler ? Juror als künstlerischer Beruf sollte Menschen wie Dieter Bohlen vorbehalten werden. Ich bin überzeugt, dass vieles vorher festgelegt wird und das erforderliche Hände reinwaschen gutbezahlt ist. Ich schließe mit einem Spruch von Wilhelm Busch:
»So ist die Sach‘!« – Oh, wie leise,
Wenn überhaupt, sagt das der Weise.
Udo Columno, du hast geschrieben:
„äh, unfassbar – die „erforderliche“ Jury kam so zu einemgebnis, mit der Wirkung einer Bewertung, die in der Wirkung mit entarteter Kunst gleichkommt. Einfach weg damit, weil es Zuschüsse erfordert und die ja sofort leicht ehrenamtlich ersetzt geleistet werden könnten. Begründet einmal aus konservativer Sicht, siehe Zylinder und gleichzeitig die „leicht angestaubte“ linke Ecke auch beleuchtend. Was sind denn das für niveauvolle Künstler ? Juror als künstlerischer Beruf sollte Menschen wie Dieter Bohlen vorbehalten werden. “
Meiner Meinung nach, sind solche Menschen sind unbedingt gute Jurymitglieder.
„ch bin überzeugt, dass vieles vorher festgelegt wird und das erforderliche Hände reinwaschen gutbezahlt ist. Ich schließe mit einem Spruch von Wilhelm Busch:
»So ist die Sach’!« – Oh, wie leise,
Wenn überhaupt, sagt das der Weise.“
Das ist leider eine traurige Wahrheit.
Die Fakten sprechen wirklich gegen die Entscheidung der Jury und viele vermeintliche Kritikpunkte, die ja auch entkräftet wurden, nähren den Verdacht, dass dieses Urteil schon im voraus feststand. Es ist nicht in Ordnung, wenn behauptet wird, das Theater hätte keine Angebote für Schulvorstellungen ermöglicht, wenn dies nachweisbar nicht stimmt. Auch das Argument, dass das Tragen eines Zylinders nicht geeignet sei, Kinder aus der heutigen Welt willkommen zu heißen, macht wenig Sinn. Es geht doch darum, dass es glaubwürdig erscheint. Ein Theaterdirektor kann ja wohl kaum ein Snapback tragen, um kompatibel mit der heutigen Welt zu sein.